Unsere Welt wird immer digitaler. Wir nutzen immer mehr digitale Technik, im Alltag und im Beruf. Oft ist das aber gar nicht so einfach. Viele digitale Angebote sind nur schwer zu bedienen. Anders gesagt: Sie sind nicht barrierefrei. Digitale Barrieren schließen viele Menschen aus: Menschen mit Behinderung, alte Menschen, die „Generation Lesebrille“ oder viele, die nicht als Digital Natives zur Welt kamen. Barrierefreiheit wird leider häufig vergessen, wenn man selbst nicht betroffen ist.
Dass digitale Barrierefreiheit ein zentrales Thema für den Digital Social Summit sein wird, zeichnete sich bereits an der Kernfrage nach einer guten Digitalisierung und bei den vielfältigen, eingereichten Sessions für den Call for Participation ab. Ganz konkret ging im Programm des #dss2021 in einem zweistündigen Praxis-Workshop darum, wie eine Webseite barrierefrei wird. Was bei der Planung barrierefreier Veranstaltungen beachtet werden sollte, wurde in einer Session des Aktion Mensch e.V. diskutiert. Highlight war der Impulsvortrag von Dario Madani, Vorsitzender des Selbsthilfevereins PRO RETINA. Mit klaren Worten fasste er zusammen:
Wir werden zukünftig in einer immer digitalen Welt leben – gerecht und gut kann diese nur sein, wenn sie allen zugänglich ist. Diesen Weg müssen wir gemeinsam gehen.
Genau aus diesem Grund hat auch das Thema Inklusion über die Kernfrage hinaus den Charakter des Digital Social Summit 2021 geprägt. Das Programm haben wir so kuratiert, dass die Teilnehmenden sich in Sessions zu verschiedenen Aspekten wie niedrigschwellige Inklusion für Personen mit Migrationshintergrund und Inklusionsstrategie, zu digitaler Teilhabe und finanziellen Mitteln oder auch Diversity und Anti-Rassismus informieren und austauschen konnten. Bei der Kuration wurde übrigens auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet.
Demokratische Teilhabe wird durch Zugang zu Informationen gestärkt.
Um daher möglichst vielen Menschen die Teilnahme und damit Teilhabe am Summit zu ermöglichen, standen unbegrenzt kostenfreie Tickets zur Verfügung, mit denen alle Programmpunkte im Livestream besucht werden konnten. Durch Soli-Tickets konnten Menschen und Organisationen mit geringen finanziellen Ressourcen bei dem Erwerb einer Bezahl-Option für teilnahmebegrenzte Programmpunkte unterstützt werden.
Aber wie gestaltet sich digitale Barrierefreiheit in der Praxis?
Konkrete digitale Barrieren können sein:
- Gehörlose und schwerhörige Menschen können Videos nicht nutzen, wenn sie keine Untertitel oder Gebärdensprache enthalten.
- Blinde Menschen können Webseiten nicht richtig nutzen, wenn Bilder, Formulare und Buttons nicht textlich beschrieben sind.
- Menschen mit einer Sehbehinderung können Texte oder Formularfelder schlecht erkennen, wenn sie sich nur gering vom Hintergrund abheben.
Oft hat man bei digitaler Barrierefreiheit im Kontext von Veranstaltungen direkt das Bild von Gebärdensprachübersetzung im Kopf. Auch beim Digital Social Summit 2021 war ein Team von Gebärdensprachdolmetscherinnen vor Ort, um alle Programmpunkte im Livestream zu übersetzen.
Für viele Personen mit Hörbehinderung oder -beeinträchtigung reicht aber Gebärdensprache nicht aus, je nachdem wann die Behinderung eingetreten ist. Wir haben gelernt: Das Optimum ist die Kombination von Gebärdensprache und Live-Untertitelung. Danke an dieser Stelle auch an Daniela Wurbs von KickIn! für den hilfreichen Austausch im Vorfeld! Wir haben kurzfristig eine KI-Spracherkennungssoftware eingesetzt – wie das funktioniert, könnt ihr euch im Video weiter unten anschauen. Der Livestream wurde aufgezeichnet – alle Beiträge in Gebärdensprache sind hier zu finden.
Untertitel helfen übrigens auch Nicht-Muttersprachler:innen – denn geschrieben ist eine Sprache meist besser zu verstehen als nur zu hören. Für Personen mit Sehbehinderung gab es eine für Screenreader besser geeignete und barrierearme Version der Konferenz-Webseite. Bei der Anmeldung wurde außerdem abgefragt, ob die Teilnehmenden besondere Unterstützung benötigen, so konnten wir auch hier auf individuelle Bedarfe reagieren. Eine ertaubte Teilnehmerin konnte so in Begleitung von Gebärdensprachdolmetscherinnen an allen drei Tagen des Summits ihre ganz individuell gewählten Sessions besuchen und teilhaben – das freut uns besonders!
Eine weitere Baustelle der digitalen Barrierefreiheit sind die sozialen Medien. Neben dem Einsatz von beschreibenden Text von Grafiken haben wir Videos immer mit Untertiteln versehen – und bei unserer Interviewreihe short bites haben wir ganz bewusst die Untertitel ins Video eingebettet, damit auch Zuschauer:innen ohne Behinderung vor Augen geführt wird, dass Menschen mit Hörbehinderung auf Untertitel angewiesen sind.
Auch Fotos auf unserer Website versehen wir immer mit Alternativtexten für Screenreader. Bei der Online-Kommunikation sollten Inhalte so dargestellt werden, dass sie leicht und klar zu sehen oder lesen sind, beispielsweise durch die Möglichkeit zur Schriftvergrößerung. Für einen möglichst kontrastreichen Einsatz von Farben – zum Beispiel unserem Ticket-Shop oder der Webseite – haben wir außerdem auch unser Corporate Design überarbeitet.
Barrierefreiheit und Inklusion umfassen auch weniger triviale Aspekten – wie einer verständlichen Sprache. Denn besonders bei dem Thema Digitalisierung schwirrt es nur so von Fachbegriffen oder englischen Formulierungen. Der Königsweg wäre eine Version aller Texte und Materialien in leichter Sprache. Wir bemühen uns stets um eine einfache Sprache – ganz gerecht konnten wir als Veranstalterin einer Fachkonferenz unserem Anspruch nicht immer werden, darum verweisen wir gerne auf das digital@bw-Glossar zur Klärung von Begriffen – und natürlich auf D3 – so geht digital als unseren Medienpartner mit vielen Hintergrundinformationen!
Dank der Rückmeldung einiger Teilnehmer:innen und den Beiträgen unserer Community konnten wir viele Learnings zu den Themen Barrierefreiheit und Inklusion mitnehmen. Wir sind mit dem Digital Social Summit zwar schon recht weit, können auch weiterhin barrierearmer werden. Das ist auch unser Vorsatz für den nächsten Summit und den Weg dorthin!
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